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Dienstag, 24. Mai 2016
Flagshipstore
cullinan, 18:12h
Es muss gestern gewesen sein, als ich, vermutlich aus versehentlicher Langeweile heraus, Facebook öffnete und mein Blick auf eine Statusmeldung fiel, verfasst von meiner ehemaligen Schwarzburgstraßennachbarin Bianca G., in der sie sich über das Verhalten eines jungen Verkäufers in einem Apple Store in Frankfurt am Main, nennen wir es ruhig beim Namen, auskotzte. Diese Geschichte werde ich hier nun wirklich nicht zum besten geben. Dadurch angeregt jedoch, ist mir folgendes Ereignis wieder in den Sinn gekommen, das sich in diesem Sommer, und Gott ist mein Zeuge, Dominik übrigens auch, tatsächlich und detailgetreu so abgespielt hat.
Die Geschichte begann mit einem etwas schrillen Schrei aus unserem Badezimmer, der Bianca P., just in diesem Moment auf unserer Couch gastierend und nicht mit der anfänglich erwähnten gleichnamigen Person zu verwechseln, und mich aufschrecken ließen. Was war geschehen ? Ein Badewannensturz ? Eine Nasenhaarentfernung ? Ein Spiegelblick über Schulter in knappsitzender Herrenunterwäsche ? Es war viel profaner und zugleich um so viel dramatischer.
Dominiks Telefon, nein, Dominiks iPhone, war vom Badezimmerschränkchen gerutscht und, beschleunigt durch eine unbarmherzige Erdanziehungskraft, die man, wenn man es denn kann, auch bestimmt errechnen könnte, ich kann es nicht, volle Granate auf die sanierungsbedürftige Badefliese, Ecke voran, aufgeschlagen. Das hatte zur Folge, dass das Display komplett, und zwar so was von komplett, gesplittert war. Armer Dominik. Ich sehe ihn förmlich vor mir, wie er sich, nachdem er das dumpfe Geräusch von überteuertem Elektroschrott auf Altkachel vernahm, mit seiner Zahnbürste zwischen den Lippen hinabbeugte und Stoßgebete gen Himmel schickte- 2,3 mm dickes Glas sei doch bitte belastungsfähiger als 1,4 cm dicke, gebrannte Uraltkeramik... Dominik, das ist es nicht !
Unser Weg führte uns also in den Apple Store auf dem Ku’damm. Den Vorzeigeladen. Den Flagshipstore. Adresse: Kurfürstendamm 26. Man steht, zugegeben, vor einem durchaus imposanten Gebäude, das mit seinen vier ionischen Säulen eher an einen antiken Tempel denken lässt, als an ein Fachgeschäft für Elektroobstzubehör. Der Begriff „Konsumtempel“ kommt in diesem Fall selbst in der Architektur zu seinem Recht, Chapeau Apple, Chapeau.
Betritt man das Heiligtum, so findet man sich vor Hellholztischen wieder, die, der Flucht folgend, die Anmut einer Kathedrale heraufbeschwören, worauf die Produktpalette präsentiert und von den wandelnden Konsumjüngern angebetet wird. Hellbraune Tische, hellgraue Wände, helles Licht, helle Displays, hell, heller, am hellsten, erhellt... Hölle.
Wir wandelten mit. Wandelnd auf der Suche nach einem Verkäufer... Einer männlichen Tempeltänzerin der Gattung Informatiknerd mit Außenseiterproblematik, gehüllt in blaues T-Shirt mit Apfellogo auf Herzhöhe. Jetzt darf man in dieser aufpolierten Hochglanzwelt natürlich nicht davon ausgehen, dass man von diesen jungen und dynamischen Menschen, mit Dauergrinsen auf Du-und-Du Ebene, einfach mal so und nebenbei bedient wird... nein... also bitte... das grenze ja an Lächerlichkeit... nein, man bekommt einen Termin. Richtig. Einen Termin ! Jetzt bekommt man also schon Termine in Läden, in denen man etwas käuflich erwerben kann und möchte. In naher Zukunft wird man demnach wohl gezwungen werden, bei KAISER’S im Vorfeld telefonisch zu reservieren. Urlaubstage zugunsten Konsumbefriedigung. Nahrungsmitteleinkauf anstelle von Badeurlaub an Südseestränden.
-Morgen um 18 Uhr wäre etwas frei.
-Ist das ein Scherz ?
-Nein.
-Okay, man will ja nur sicher sein, dass man es auch verstanden hat.
Der nächste Tag. Zurück am Kurfürstendamm 26. Im Flagshipstore. Bei Apple.
Wir waren nicht vorbereitet, wir waren naiv. Man reihte sich ein in Reihen, um dann, endlich an der Reihe, in eine andere Reihe eingereiht zu werden. So landeten wir letztendlich in der Reihe von Joe. Joe, der, seien wir ehrlich, sehr wahrscheinlich von seinen Eltern auf den Namen Joachim getauft wurde, stand, getrennt durch vier oder fünf Personen, vor uns und koordinierte die hörig aufgereihten Präkonsumenten, in dem er wild auf seinem iPad wischte und in sein Mikrofon säuselte, das an der linken Schulter seines
T-Shirts festgeklemmt war, wodurch er den Stoff beim Sprechen immer zu seinem Mund ziehen musste, was zum Ausleiern der Bündchen führte, an die maximal zwei Meter entfernten Kollegen weiter... es lebe die Telekommunikation. Hörbares persönliches miteinander Reden auf Kurzdistanzen ist anscheinend out... Bravo Apple, Tröpfcheninfektionen adé !
Plötzlich, ein Aufheulen an vorderster Front. Vor Joe stand eine geschätzte Mittdreißigerin im punkigen Outfit, etwas verschieden farbiges Haar auf der einen, dafür etwas weniger Haar auf der anderen Seite, Typus, Achtung es folgt ein Klischee, auf der Oberbaumbrücke an der Warschauer Straße sitzend vorzufinden und mit dem Hund das Essen teilend... Ich bin eine Randgruppe, ich darf so etwas sagen.
Diese Frau stürzte also aus der Reihe, schluchzend, heulend, mit großem Drama im Stile der frühen Stummfilmära, fiel, etwas zu theatralisch für meinen Geschmack, auf die ausgestellte MacBookPro Serie und begann, in Kleinmädchenweinkrampfmanier, auf die Tastatur einzuhämmern. Also, nein, man darf doch sehr bitten, Contenance, s’il vous plaît.
Das Beste jedoch daran war, es schien niemanden der Anwesenden zu stören. Kein Aufblicken, kein Getuschel, nur das in regelmäßigen Abständen ertönende, durch die Apple-Hallen hallende, herzzerreißende Gejammer dieser Frau, die, wie aus einer anderen Welt wirkend, sich in diese nun verlaufen, verzweifelt versuchte, sich heraus zu hacken. Und weil sie optisch nicht in die geweißte Designerwelt des Leuchtapfels passte, bekam sie auch keine Aufmerksamkeit und schon gar kein Mitleid geschenkt.
Wir standen auch nur da in unserer Reihe, wir hatten schließlich einen Termin wahrzunehmen, beobachteten das Szenario und begannen zu überlegen, was hast du, Joe, nur dieser Frau gesagt, dass sie so aus der Fassung geriet, was nur ?
-Tut mir leid, du Punkfrau, aber du darfst keinen Apple Computer haben ?
Böser Joe, böser !?
Aber wir werden es wohl bedauerlicherweise niemals erfahren, denn dieses Geheimnis bleibt Joes Geheimnis, das er mit in sein Grab nehmen wird.
In sein Grab unter dem Apfelbaum...
Die Geschichte begann mit einem etwas schrillen Schrei aus unserem Badezimmer, der Bianca P., just in diesem Moment auf unserer Couch gastierend und nicht mit der anfänglich erwähnten gleichnamigen Person zu verwechseln, und mich aufschrecken ließen. Was war geschehen ? Ein Badewannensturz ? Eine Nasenhaarentfernung ? Ein Spiegelblick über Schulter in knappsitzender Herrenunterwäsche ? Es war viel profaner und zugleich um so viel dramatischer.
Dominiks Telefon, nein, Dominiks iPhone, war vom Badezimmerschränkchen gerutscht und, beschleunigt durch eine unbarmherzige Erdanziehungskraft, die man, wenn man es denn kann, auch bestimmt errechnen könnte, ich kann es nicht, volle Granate auf die sanierungsbedürftige Badefliese, Ecke voran, aufgeschlagen. Das hatte zur Folge, dass das Display komplett, und zwar so was von komplett, gesplittert war. Armer Dominik. Ich sehe ihn förmlich vor mir, wie er sich, nachdem er das dumpfe Geräusch von überteuertem Elektroschrott auf Altkachel vernahm, mit seiner Zahnbürste zwischen den Lippen hinabbeugte und Stoßgebete gen Himmel schickte- 2,3 mm dickes Glas sei doch bitte belastungsfähiger als 1,4 cm dicke, gebrannte Uraltkeramik... Dominik, das ist es nicht !
Unser Weg führte uns also in den Apple Store auf dem Ku’damm. Den Vorzeigeladen. Den Flagshipstore. Adresse: Kurfürstendamm 26. Man steht, zugegeben, vor einem durchaus imposanten Gebäude, das mit seinen vier ionischen Säulen eher an einen antiken Tempel denken lässt, als an ein Fachgeschäft für Elektroobstzubehör. Der Begriff „Konsumtempel“ kommt in diesem Fall selbst in der Architektur zu seinem Recht, Chapeau Apple, Chapeau.
Betritt man das Heiligtum, so findet man sich vor Hellholztischen wieder, die, der Flucht folgend, die Anmut einer Kathedrale heraufbeschwören, worauf die Produktpalette präsentiert und von den wandelnden Konsumjüngern angebetet wird. Hellbraune Tische, hellgraue Wände, helles Licht, helle Displays, hell, heller, am hellsten, erhellt... Hölle.
Wir wandelten mit. Wandelnd auf der Suche nach einem Verkäufer... Einer männlichen Tempeltänzerin der Gattung Informatiknerd mit Außenseiterproblematik, gehüllt in blaues T-Shirt mit Apfellogo auf Herzhöhe. Jetzt darf man in dieser aufpolierten Hochglanzwelt natürlich nicht davon ausgehen, dass man von diesen jungen und dynamischen Menschen, mit Dauergrinsen auf Du-und-Du Ebene, einfach mal so und nebenbei bedient wird... nein... also bitte... das grenze ja an Lächerlichkeit... nein, man bekommt einen Termin. Richtig. Einen Termin ! Jetzt bekommt man also schon Termine in Läden, in denen man etwas käuflich erwerben kann und möchte. In naher Zukunft wird man demnach wohl gezwungen werden, bei KAISER’S im Vorfeld telefonisch zu reservieren. Urlaubstage zugunsten Konsumbefriedigung. Nahrungsmitteleinkauf anstelle von Badeurlaub an Südseestränden.
-Morgen um 18 Uhr wäre etwas frei.
-Ist das ein Scherz ?
-Nein.
-Okay, man will ja nur sicher sein, dass man es auch verstanden hat.
Der nächste Tag. Zurück am Kurfürstendamm 26. Im Flagshipstore. Bei Apple.
Wir waren nicht vorbereitet, wir waren naiv. Man reihte sich ein in Reihen, um dann, endlich an der Reihe, in eine andere Reihe eingereiht zu werden. So landeten wir letztendlich in der Reihe von Joe. Joe, der, seien wir ehrlich, sehr wahrscheinlich von seinen Eltern auf den Namen Joachim getauft wurde, stand, getrennt durch vier oder fünf Personen, vor uns und koordinierte die hörig aufgereihten Präkonsumenten, in dem er wild auf seinem iPad wischte und in sein Mikrofon säuselte, das an der linken Schulter seines
T-Shirts festgeklemmt war, wodurch er den Stoff beim Sprechen immer zu seinem Mund ziehen musste, was zum Ausleiern der Bündchen führte, an die maximal zwei Meter entfernten Kollegen weiter... es lebe die Telekommunikation. Hörbares persönliches miteinander Reden auf Kurzdistanzen ist anscheinend out... Bravo Apple, Tröpfcheninfektionen adé !
Plötzlich, ein Aufheulen an vorderster Front. Vor Joe stand eine geschätzte Mittdreißigerin im punkigen Outfit, etwas verschieden farbiges Haar auf der einen, dafür etwas weniger Haar auf der anderen Seite, Typus, Achtung es folgt ein Klischee, auf der Oberbaumbrücke an der Warschauer Straße sitzend vorzufinden und mit dem Hund das Essen teilend... Ich bin eine Randgruppe, ich darf so etwas sagen.
Diese Frau stürzte also aus der Reihe, schluchzend, heulend, mit großem Drama im Stile der frühen Stummfilmära, fiel, etwas zu theatralisch für meinen Geschmack, auf die ausgestellte MacBookPro Serie und begann, in Kleinmädchenweinkrampfmanier, auf die Tastatur einzuhämmern. Also, nein, man darf doch sehr bitten, Contenance, s’il vous plaît.
Das Beste jedoch daran war, es schien niemanden der Anwesenden zu stören. Kein Aufblicken, kein Getuschel, nur das in regelmäßigen Abständen ertönende, durch die Apple-Hallen hallende, herzzerreißende Gejammer dieser Frau, die, wie aus einer anderen Welt wirkend, sich in diese nun verlaufen, verzweifelt versuchte, sich heraus zu hacken. Und weil sie optisch nicht in die geweißte Designerwelt des Leuchtapfels passte, bekam sie auch keine Aufmerksamkeit und schon gar kein Mitleid geschenkt.
Wir standen auch nur da in unserer Reihe, wir hatten schließlich einen Termin wahrzunehmen, beobachteten das Szenario und begannen zu überlegen, was hast du, Joe, nur dieser Frau gesagt, dass sie so aus der Fassung geriet, was nur ?
-Tut mir leid, du Punkfrau, aber du darfst keinen Apple Computer haben ?
Böser Joe, böser !?
Aber wir werden es wohl bedauerlicherweise niemals erfahren, denn dieses Geheimnis bleibt Joes Geheimnis, das er mit in sein Grab nehmen wird.
In sein Grab unter dem Apfelbaum...
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